Marco Buschmann begrüßt den neuen Jahrgang 2022

Der Bundesjustizminister sprach bei der Akademischen Feier 2022 zum neuen Jahrgang über Meinungspluralität und „Konflikt und Urteilskraft“

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Jeden Herbst feiert die Bucerius Law School mit einer Akademischen Feier den Start in das neue akademische Jahr und begrüßt gleichzeitig die Studierenden des jeweiligen neuen Jahrgangs. Zu diesem Anlass hielt unter anderem auch Dr. Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz im Kabinett Scholz, eine Festrede.

Marco Buschmann studierte seinerzeit Jura in Bonn, unter anderem unter Prof. Dr. Karsten Schmidt. Er blickte positiv und nostalgisch auf sein Jurastudium zurück; neue Menschen, neue Ideen, sich selbst besser kennenzulernen, all das warte auf die neuen Studierenden.

„Sie dürfen das Studium des Rechts an einer der interessantesten Hochschulen unseres Landes in einer der wahrscheinlich charaktervollsten Städte dieses Landes aufnehmen“. So begrüßte Marco Buschmann die Studierenden des neuen Jahrgangs. Er gab ihnen in seiner Rede ein paar Gedanken auf den neuen Weg zum Thema „Konflikt und Urteilskraft“ mit.

 

Denn Freiheit des Einzelnen bedeutet immer Konflikt

Die Begriffe lassen die Charakteristika der Rechtswissenschaften andeuten – ein Studium der „streng rationalen Bewältigung von Konflikten“. Konflikte als conditio humana zu akzeptieren und mit Verstand, nicht mit Fäusten zu lösen, Konflikt als Antriebsenergie für den Fortschritt in der Gesellschaft: das sei die zivilisatorische Berufung der Jurastudierenden.

Der Minister blickte für die Studierenden in die Zukunft: In den nächsten Jahren erlernen sie keine bloße Technik, sie studieren keine politisch-moralisch indifferente Wissenschaft, die immer zu eindeutigen Lösungen kommt. Nur „Rechtstechniker“ zu sein, damit rechtfertigten Jurist*innen post 1945 ihre Mittäterschaft.

Der unsichere Weg zur Juristerei

Stattdessen zitierte Marco Buschmann für die wesentliche Aufgabe des Studiums den berühmten Juristen Fritz Bauer: „Der Jurist, den wir heute brauchen, muss unsicher gemacht werden. Die innere Unsicherheit, die Problematik seines Kampfes um das Recht muss ihm an der Universität beigebracht werden. […] Er muss hineingestellt werden in die Schwierigkeiten unserer Zeit.“ Juristische Bildung fange genau da an: Bei der Wahrnehmung von Problemen, bei Unsicherheit und Zweifel, nicht bei Wissen und Selbstgewissheit.

 

Der innere Zweifel finde das gute Argument

Man müsse bereit sein, anzunehmen, dass man selbst im Unrecht und der andere im Recht sein könnte, um ein guter Jurist zu werden. „Auf dem Feld der Uneindeutigkeit die Urteilskraft zu üben, im immer neuen Bemühen um zeitweise Befriedung durch Recht“: Das ist für Marco Buschmann der Inhalt des Jurastudiums. Diese Urteilskraft brauche Erfahrung, Unterscheidungsvermögen, Kreativität – das Auswendiglernen sei eben doch nur notwendige, keine hinreichende Bedingung für einen guten Juristen. „Bleiben Sie also offen im Geist!“ appellierte er an die Zuhörenden.

 

Gesellschaftliche Konflikte in diesem Zusammenhang

Heutzutage hätte man es mit einer sich immer weiter steigernden Unduldsamkeit anderen Positionen und Haltungen gegenüber zu tun. Die Zumutung, die eine Ordnung der Freiheit in Form des Meinungspluralismus immer auch bereithalte, werde immer weniger hingenommen. Stattdessen greife eine Ambiguitätsintoleranz um sich, es fehle daran, Unsicherheiten und mehrdeutige Situationen zu ertragen und man ziehe sich in die eigene Bubble zurück.

Aus diesem Grund sei es umso wichtiger, dass die neuen Studierenden Gegenkräfte entwickeln gegen diese Gefährdung liberaler Demokratie. Andere Standpunkte verstehen und aushalten, Analyse und Argument benutzen. Empfindlichkeit sei zwar Motor von Humanität und Zivilität, aber sie könne eben auch schaden und lehrreichen Perspektivwechsel hemmen. Wenn man eine Meinung äußert und diese stark kritisiert werde, muss man das eben auch aushalten können.

 

„Konflikte sind die Kehrseite der Vielfalt“

Für den souveränen Umgang mit Pluralität als Folge von Freiheit sei eben auch eine gute Portion Demut nötig. Marco Buschmann appellierte an die Studierenden, das „hermeneutische Wohlwollen“ zu üben: „Lese und höre den anderen stets so, dass du das bestmöglich Gemeinte daraus herausholst“. Solche Offenheit und Liberalität könne von wenigen besser in sich und miteinander ausgebildet werden als von den „privilegierten Studierenden der Rechte an dieser außergewöhnlichen Hochschule“.

 

Der Gesellschaft etwas zurückgeben

In ihrem Tun und Reden sollen sie dazu beitragen, dass die Gesellschaft bei aller Diversität und Verschiedenheit nicht auseinanderfällt, dass der gemeinsame politische Boden bleibt. „Haben Sie keine Angst vor Meinungen, die sie nicht teilen!“ Damit wünschte der Bundesjustizminister dem neuen Jahrgang ein schönes und unvergessliches Studium an der Bucerius Law School.

Text

Emma Schimmel

Hamburg