1. Medizinstrafrechtsabend an der Bucerius Law School

Wirtschaftsstrafrechtlicher Gesprächskreis in Kooperation mit WisteV und medstra

0-46 / Forschung & Fakultät |

Am 5. Mai fand der 1. Medizinstrafrechtsabend an der Bucerius Law School statt, der im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechtlichen Gesprächskreises gemeinsam mit der WisteV und der medstra, der Zeitschrift für Medizinstrafrecht, ausgerichtet wird. Unter der Moderation von Prof. Dr. Karsten Gaede diskutierten Juristen, Mediziner und Mitglieder der Leitungsebene medizinischer Einrichtungen das Thema „Compliance in medizinischen Einrichtungen – Verantwortlichkeit und Enthaftung der Leitungsebene bei der Unterschreitung medizinischer Behandlungsstandards“.

Den Anfang machte RA und Fachanwalt für Strafrecht und Medizinrecht Dr. Michael Tsambikakis, der das Publikum in die aktuelle Bedeutung der Compliance im Gesundheitswesen einführte. Er machte geltend, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit auch der Führungsebenen medizinischer Einrichtungen angesichts des wachsenden Bewusstseins für das Medizinstrafrecht bei Bevölkerung, Gesetzgeber und Strafverfolgungsbehörden in der Praxis vermehrt Gestalt annehme. Auch für patientenferne Entscheidungsträger komme es daher darauf an, Strategien zu entwickeln, mit denen eine strafrechtliche Haftung vermieden werden könne. Anschließend hielt Alumnus RA Dr. Tim Neelmeier den Hauptvortrag zum möglichen Organisationsverschulden patientenferner Entscheider bei infrastrukturbedingten Behandlungsfehlern. Die Ökonomisierung der krankenhäuslichen Versorgung im letzten Jahrzehnt habe einen Qualitätsunterbietungswettbewerb unter den Krankenhäusern ausgelöst. Dieser habe vielerorts zu einer mangelhaften Infrastruktur geführt, die sich in Behandlungsfehlern niederschlage. Wenn etwa die Krankenhausleitung keine ausreichende Organisation der Behandlungen und der Infrastruktur leiste, drohe auch ihr eine vergleichsweise unproblematisch eingreifende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Unerlässlich sei jedenfalls eine einrichtungsbezogene Aufklärung des Patienten auch über die Mängel des Krankenhauses, da es sonst an einer wirksamen Einwilligung in den Heileingriff fehle und sogar eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung drohe.

Plenum und Referenten diskutierten im Anschluss intensiv die drohende strafrechtliche Haftung und die Frage, ob eine einrichtungsbezogene Aufklärung die Strafbarkeit tatsächlich eindämmen könne. Es wurde kritisch hinterfragt, ob das Strafrecht der richtige Ansatzpunkt sei, um einen von der Politik im Gesundheitswesen angeregten Verdrängungswettbewerb zugunsten der Patientensicherheit zu begrenzen. Die anwesenden Mediziner berichteten dabei von ihren Erfahrungen aus dem Krankenhausalltag.

Text

Christoph Henckel, wissenschaftlicher Mitarbeiter

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