2. Medizinstrafrechtsabend thematisiert die Korruption im Gesundheitswesen

Strafrechtswissenschaftler, Praktiker und Vertreter verschiedener Akteure des Gesundheitswesens kommen an der Bucerius Law School zusammen, um aktuelle Perspektiven der Korruptionsverfolgung im Gesundheitswesen zu diskutieren.

Forschung & Fakultät |

Die §§ 299a, 299b StGB zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen harren derzeit der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt. Vom ersten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz bis hin zur nun verabschiedeten Gesetzesfassung erfuhren die Normen mehrmals wesentliche Änderungen. Vor diesem Hintergrund luden der WisteV-Arbeitskreis Medizinstrafrecht, die Initiativgruppe Medizinrecht an der Bucerius Law School, der Wirtschaftsstrafrechtliche Gesprächskreis der Bucerius Law School und die medstra, die Zeitschrift für Medizinstrafrecht, gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) am 31. Mai 2016 zum 2. Medizinstrafrechtsabend in das Auditorium der Bucerius Law School ein.

Einleitend bot Prof. Dr. Karsten Gaede von der Bucerius Law School, der auch die Moderation der Veranstaltung übernahm, einen Überblick über die Korruptionsverfolgung im Gesundheitswesen. Er erläuterte die Entstehungsgeschichte des Gesetzesvorhabens und ordnete die neuen Straftatbestände in ihr Normenumfeld ein, das im Gesundheitsweisen weitere Strafbarkeitsrisiken bereithält.

Sodann zeigte Prof. Dr. Michael Kubiciel von der Universität zu Köln auf, welche Probleme die Tatbestände langfristig bereiten werden. Der Gesetzgeber habe nun Normen auf den Weg gebracht, die nicht europarechtskonform seien, weil sie nicht weit genug gingen. Die Änderungen, die der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in letzter Minute vorgenommen hatte, führten dazu, dass die Tatbestände nur noch wettbewerbsschützend ausgerichtet seien. Außerdem seien langfristig Friktionen mit der Rechtsprechung zu § 299 StGB zu erwarten, die gravierende Strafbarkeitslücken entstehen lassen würden.

Anschließend schilderte Walter Plassmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, die zu spürende Unsicherheit seitens der Ärzteschaft. So seien die Normen unscharf und böten den Betroffenen wenig Rechtssicherheit. Terminologisch hätte der Gesetzgeber von einer eigenständigen Begriffsbildung absehen und an bestehende Begrifflichkeiten des Medizinrechts anknüpfen sollen. Insgesamt wäre es vorzugswürdig gewesen, die ärztliche Selbstverwaltung zu stärken und nicht Gerichte und Praxis vor die Herausforderung zu stellen, mit den wenig konkretisierten Normen arbeiten zu müssen. Besonders für allgemein erwünschte Kooperationsformen der modernen Health Care seien die neuen Tatbestände ein Hindernis.

Oberstaatsanwalt Alexander Badle aus Frankfurt am Main plädierte angesichts der neuen Normen für eine „Strafverfolgung mit Augenmaß“. Vorzugswürdig sei es stets, wenn der Markt aus sich selbst heraus zur Lauterkeit strebe. Strafrecht sei nur ultima ratio mit geringer Steuerungswirkung. Angesichts der sehr unterschiedlichen Kapazitäten bei den Staatsanwaltschaften sei mit einem ganz unterschiedlichen Ausgang der Verfahren zu rechnen und schon jetzt bestehe große Unsicherheit bei den Marktteilnehmern.

Rechtsanwalt Dr. Michael Tsambikakis, Fachanwalt für Strafrecht und Medizinrecht bei Tsambikakis & Partner und Sprecher des Arbeitskreises Medizinstrafrecht der WisteV, äußerte gegenüber den §§ 299a, 299b StGB ähnliche Kritik wie seine Vorredner. Ein Tatbestand mit einem deutlich kleineren Anwendungsbereich wäre seiner Ansicht nach vollauf ausreichend gewesen und hätte die aktuell bestehende Verunsicherung der Branche vermeiden können. Der Schwerpunkt der Strafverfolgung werde nun beim Nachweis der Unrechtsvereinbarung liegen. Es seien aufwändige Verfahren zu erwarten, bei denen im Ergebnis wenig herauskommen werde.

Bei der abschließenden Diskussionsrunde beantworteten die Vortragenden Fragen aus dem Publikum. Gemeinsam wurde nach Wegen gesucht, die Unsicherheit durch einen Anschluss an die Primärnormen des Medizinrechts und durch ein „professionelles Indizienmanagement“ (Gaede) merklich einzudämmen.

Text

Wiss. Mit. Lara Herbertz

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