Gesetz ade?

Strafrechtliche Compliance nach dem Scheitern des Verbandssanktionengesetzes

Wenn am 26. September der neue Bundestag gewählt wird, endet nicht nur die Amtszeit der ersten deutschen Bundeskanzlerin, sondern (zunächst) auch das wohl meistdiskutierte Gesetzesvorhaben im Wirtschaftsstrafrecht. Spätestens aufgrund des Prinzips der Diskontinuität wird es in dieser Legislatur kein Verbandssanktionengesetz mehr geben. Ein Grund etwaige Compliance-Bemühungen einzustellen, ist das indes auf keinen Fall.

Seit Jahrzehnten wird die Unternehmensstrafbarkeit in Deutschland intensiv diskutiert. So nah wie zuletzt war die Einführung eines entsprechenden Gesetzes allerdings noch nie: Ein viel diskutierter Referenten-, dann Regierungsentwurf, unzählige Fachveranstaltungen, Zeitschriftenbeiträge, erste Gesetzeskommentare und schließlich ein scheinbar unüberbrückbarer Zwist zwischen den Regierungskoalitionen – Gescheitert letztlich wohl an der gesetzlich verankerten Trennung zwischen dem unternehmensinternen Aufklärer und dem Unternehmensverteidiger.

Dieses (vorläufige) Ende eines Verbandssanktionengesetzes sollte nun aber aus mindestens zwei Gründen keinesfalls dahingehend verstanden werden, dass die Bedeutung strafrechtlicher Compliance in Unternehmen abgenommen hätte.

 

Bedeutung strafrechtlicher Compliance

Der erste Grund ist so naheliegend wie einfach. Die parteiübergreifende Einigkeit dahingehend, dass es dem Grunde nach eines solchen Sanktionsregimes bedürfe, führt zur allgemeinen Einschätzung, dass in der nächsten Legislatur mit einem neuen Anlauf des Gesetzgebers zu rechnen ist. Auch wenn eine inhaltliche Ausgestaltung nicht sicher prognostiziert werden kann, haben sich doch mittlerweile Compliance-Standards herausgebildet, die sicher Einfluss auf eine solche Gesetzgebung haben dürften. Wer diese Standards erfüllt, wird sicher schneller und besser auf neue Vorgaben reagieren können als derjenige, der bei null beginnen muss.

Der zweite Grund, der angesichts der Diskussion um das Verbandssanktionengesetz etwas in den Hintergrund gerückt ist, ist allerdings die ganze Zeit über von Bedeutung. Schon heute ist zu beobachten, dass Unternehmen immer stärker in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten. Vor dem Hintergrund des § 30 OWiG und des (jüngst verschärften) Abschöpfungsrechts drohen Unternehmen bei betriebsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern erhebliche Risiken. Zu den finanziellen Risiken durch Sanktionen und Vermögenseinziehungen gesellen sich Reputationsrisiken etwa bei Durchsuchungsmaßnahmen oder Befragungen von Geschäftspartner*innen, Haftungsrisiken der Unternehmensführungen und die teure sowie zermürbende Bindung von Kapazitäten durch langwierige Ermittlungsverfahren.

 

Notwendige Compliance-Maßnahmen

Die Antwort hierauf müssen wirksame Compliance-Maßnahmen sein, deren primäres Ziel sicher die Vermeidung unternehmensbezogener Straftaten ist. Daneben dienen sie aber auch der professionellen Vorbereitung auf den Krisenfall, der umgehenden internen Aufklärung und – aus Sicht des Strafverteidigers von besonderer Bedeutung  – der Ermöglichung einer Unternehmensverteidigung. Schließlich knüpft letztere unter anderem auch stets daran an, dass unternehmensintern alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen waren und es sich im Einzelfall um die Exzesstat eines Mitarbeiters handelt.

Das (vorläufige) Scheitern des Verbandssanktionengesetzes begründet mithin einerseits die Hoffnung auf einen neuen, ausgewogeneren Entwurf, der etwa konkreter skizziert, wie interne Untersuchungen aussehen werden und Compliance-Systeme auszusehen haben. Dies bedeutet andererseits aber keinesfalls ein Absehen von Compliance-Bemühungen im „Zwischenstadium“. Aus Sicht des Strafverteidigers bleiben diese angesichts zunehmender Verfolgungsrisiken für Unternehmen wichtiger denn je.

 

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Text

Dr. Frédéric Schneider, Dr. Matthias Peukert

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