Was ist der Mensch?

Prof. em. Dr. Birgit Recki und Prof. Dr. Dr. Kai-Michael Hingst feiern die Denker Immanuel Kant und Ernst Cassirer mit einem Podiumsgespräch im Studium generale.

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Am 26. Juni 2024 nahmen Prof. em. Dr. Birgit Recki und Prof. Dr. Dr. Kai-Michael Hingst den 300. Geburtstag Kants sowie den 150. Geburtstag Cassirers zum Anlass für ein philosophisches Gespräch im Rahmen des Studium generale der Bucerius Law School. Dabei arbeiteten Recki und Hingst die inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden heraus und suchten nach ihren möglichen Antworten auf heutige Fragen. Die Veranstaltung beruhte auf einer Kooperation mit der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, für die Sascha Suhrke ein Grußwort hielt. Suhrke ist Bereichsleiter für Politik und Gesellschaft bei der ZEIT-Stiftung. Er hob insbesondere die Aktualität der politischen Philosophie Kants hervor und verwies auf die multiplen Krisen der modernen Demokratie.

 

Werdegänge

Professor Recki wurde an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster promoviert und habilitierte sich dort. Seit 1997 hatte sie einen Lehrstuhl für praktische Philosophie an der Universität Hamburg inne und ist seit 2020 Seniorprofessorin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Kant-Forschung, der Kulturphilosophie sowie der Ethik und Ästhetik. Recki ist außerdem Herausgeberin der Gesammelten Werke Ernst Cassirers. Auch ihr sei jedoch früher ein Jurastudium angeraten worden. Sie stellte die vorderste Gemeinsamkeit von Philosophie und Rechtswissenschaft heraus: ein auf Argumenten beruhendes Verständnis von Wirklichkeit.

Professor Hingst studierte Rechtswissenschaften, Philosophie und Psychologie an der Universität Hamburg. Er wurde 1998 in Philosophie sowie 2003 in Rechtswissenschaft promoviert. Hingst ist nach langjähriger anwaltlicher Tätigkeit Partner emeritus einer internationalen Wirtschaftskanzlei und Honorarprofessor an der Bucerius Law School. Dort unterrichtet er regelmäßig Philosophie im Rahmen des Studium generale.

Die kantischen Fragen

Die berühmten kantischen Fragen lauten: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“ Mit der Beantwortung dieser Fragen revolutionierte Kant die Philosophie grundlegend. Nach Kant spricht man gar von der „kopernikanischen Wende“ im Denken. Er beeinflusste sowohl die Metaphysik, also die Fragen nach den Ursachen, den Bedingungen und des Zwecks des Seins an sich, sowie die Erkenntnistheorie. In der „Kritik der reinen Vernunft“analysierte Kant das Denken selbst und legte offen, welche Annahmen und Eindrücke jeder Verstandeshandlung im Voraus (a priori) zugrunde liegen. Im Besonderen ist Kants aufklärerische Leistung hervorzuheben.

 

Cassirers neue Verständnisse

Ernst Cassirer, seines Zeichens Kantianer, beantwortet die klassischen kantischen Fragen in seiner Philosophie der Kultur. Dabei erweiterte er die Erkenntnistheorie Kants von dem Ausgangspunkt der Erkenntnis hin zum Erlebnis. Was der Mensch wissen kann, hoffen darf, tun soll und was er sei, ergebe sich aus all dem Erlebten. Dieses Erlebte nennt Cassirer „symbolische Formen“. Insbesondere sei die Kultur der zentrale Orientierungsraum des Menschen. Er schaffe sich durch Ausdruck des Erlebten Distanz und dadurch Befreiung.

 

Impulse für die Gegenwart

Kant und Cassirer, so Recki, verbinde aber eine ähnliche politische Philosophie. In Kants Werk „Vom ewigen Frieden“ komme eine liberale Denkungsart zum Ausdruck. Schon damals plädierte Kant für eine republikanische Verfassung. Dem hat sich Cassirer angeschlossen, als er zum zehnten Jahrestag der Weimarer Reichsverfassung eine Rede hielt, in der er Grundzüge der liberalen und demokratischen Verfassung aufstellte. Dabei sei gerade der historische Kontext zu beachten, so Recki. In der akademischen Welt seien solche Überzeugungen damals keineswegs mehrheitsfähig gewesen.

Recki fasste den Abend mit einer Bemerkung am Rande in Bezug auf Kant wie folgt zusammen: „Wir lieben ihn!“

Das sehr interessierte und zahlreiche Publikum im Helmut Schmidt Auditorium stellte viele Fragen. Es wurde rege mit den Podiumsgästen diskutiert. Im Anschluss wurden die Gespräche bei Brezeln und Wein fortgesetzt.

 

Text

Richard Lenz/ZSP

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