Podiumsdiskussion und Szenische Lesung zum DDR-Volksaufstand 1953 im Studium generale

„Jetzt ist es mit eurer Regierung vorbei!“

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Am Mittwoch, 14. Juni 2023, lud das Studium generale der Bucerius Law Studierende sowie externe Gäste anlässlich des 70. Jahrestages des DDR-Volksaufstands zu einer spannenden Podiumsdiskussion in den Moot Court ein. Begleitet wurde die Diskussion von einer lebendigen szenischen Lesung aus Originalquellen zu den Ereignissen vom 17. Juni 1953.

Dr.Annette Bärwinkel, Leiterin der Alumni Relations an der Bucerius Law School, eröffnete die Veranstaltung. Sie wuchs in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Jena auf und konnte den Anwesenden einen lebendigen Eindruck vermitteln, was es für sie bedeutet in der DDR aufgewachsen zu sein und wie sich diese Erfahrungen bis heute auf ihr Leben auswirken.

 

Historische Einordnung

Expert*innen der Podiumsdiskussion waren die Historikerin und Referentin beim Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Dr. Andrea Bahr und der Historiker und stellvertretende Berliner Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Dr. Jens Schöne. Moderiert wurde das Gespräch vonDr. Stefanie Eisenhuth, Historikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam.

Eindrücklich schilderten die drei Historiker*innen auf der Bühne die Entwicklung des Landes in den 1950er Jahren, die vom vermeintlichen Aufbau des Sozialismus geprägt war. Diese Entwicklung ging einher mit einer radikalen Kollektivierung der Landwirtschaft, einer Militarisierung der Gesellschaft sowie Einschüchterung der Bevölkerung und resultierte schließlich im Volksaufstand vom 17. Juni 1953.

Etwa eine Million DDR-Bürgerinnen und Bürger gingen am Tag des Aufstandes sowohl in Ost-Berlin als auch im Rest der DDR auf die Straße, um gegen die Verhältnisse in der SED-Diktatur zu protestieren. Die sowjetische Militärmacht reagierte mit Gewalt, Schüsse fielen. 55 Menschen starben im Zusammenhang mit den Protesten durch Schussverletzungen, aber auch durch Todesurteile in anschließenden Gerichtsprozessen. Eine heftige Welle an Repressionen erschütterte im Anschluss die DDR.

 

Lesung aus Originaldokumenten

In einen historischen Kontext gesetzt wurde die Diskussion einerseits durch zwei RIAS-Radioreportagen vom 17. Juni, die im Moot Court abgespielt wurden, als auch durch szenische Lesungen der Schauspielerin Elisabeth-Marie Leistikow und des Schauspielers Jean Paul Baeck. Neben dem Vortrag von Zeitzeugenberichten und Originaldokumenten aus dem Stasi-Archiv, wurde auch ein Brief der DDR-Bürgerin Lieselotte Petrich vorgelesen. In dem Brief beschrieb die Frau wie es in der DDR an allem mangele, man nichts kaufen könne und die Preise weiter stiegen. Die Lebensumstände in der DDR seien mit einem Gefängnis zu vergleichen gewesen. Besonders schrecklich soll dabei die Situation auf dem Land gewesen sein.

Einen Lagebericht der Volkspolizeiinspektion Berlin-Friedrichshain vom 17. Juni 1953 las Jean Paul Baeck vor. Der Bericht schilderte wie sich schon in den frühen Morgenstunden Arbeiterbelegschaften zusammenschlossen, um gegen die Verhältnisse in der SED-Diktatur zu protestieren. Sie marschierten bei strömendem Regen sowohl durch Ost-Berlin als auch in anderen Städten der DDR.

Ergänzt wurde der polizeiliche Lagebericht durch eine Presse-Reportage vom Demonstrationszug der Hennigsdorfer Arbeiter durch West-Berlin, vorgetragen von Jean Paul Beck.

 

Rolle der Frauen im Volksaufstand

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung ging Dr. Andrea Bahr der Frage nach, ob bei dem Volksaufstand auch Frauen beteiligt waren. Denn obwohl es in den Berichterstattungen über den Volksaufstand fast immer nur um die beteiligten Männer geht, waren unter den Demonstrierenden am 17. Juni 1953 durchaus auch Frauen. So gibt es zum Beispiel Fotos von der Erstürmung des Brandenburger Tores, die zeigen, dass Frauen protestierten. Auch heißt es in einer Berichterstattung zum Volksaufstand, dass Betriebe mitprotestierten, die nur weibliche Mitarbeiterinnen hatten. Tatsächlich waren Frauen nicht nur als Demonstrantinnen, sondern in verschiedenen Funktionen aktiv im Volksaufstand dabei waren, sei es als Streitführerinnen, Fotografinnen oder Berichterstatterinnen.

Darüber hinaus wurde auch darüber gesprochen, welche Rolle das Ereignis heute in unserer Erinnerungskultur spielt. Viele Perspektiven des Volksaufstandes seien noch nicht gänzlich erforscht und könnten so zu einem vollständigeren Bild der damaligen Zeit beitragen.  

Am Ende der Podiumsdiskussion nutzen die Zuschauer*innen die Gelegenheit dem Podium weitere Fragen zu stellen und es wurde deutlich, wie wichtig und aktuell die Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen und die Vergegenwärtigung der deutsch-deutschen Geschichte ist. Der Abend klang in der Südlounge der Bucerius Law School bei Brezeln, Wein und weiteren spannenden Gesprächen in Anwesenheit der Expert*innen und Schauspieler*innen aus, die gerne für weitere Fragen zur Verfügung standen.

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ZSP

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