Das ist: Alicia – Praktikantin bei Hengeler Mueller

Jurastudent*innen der Bucerius Law School absolvieren zwei Praktika um Einblicke in die Rechtspraxis zu erhalten. Hier berichten sie darüber.

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Wo hast du Dein Einführungspraktikum verbracht?

Für mein Einführungspraktikum habe ich am sechs-wöchigen Praktikantenprogramm der Kanzlei Hengeler Mueller am Standort Frankfurt (am Main) teilgenommen.

 

Wie ist die Atmosphäre in einer Großkanzlei?

Sicherlich hängt die Atmosphäre im Einzelnen sehr von der jeweiligen Kanzlei, ihrer internen Struktur und Mentalität ab. Bei Hengeler Mueller fiel mir sehr positiv auf, dass sich trotz der vielen Etagen die meisten zumindest namentlich oder sogar persönlich kannten und immer ein gutes Wort übereinander zu verlieren hatten.

Selbstverständlich sind alle Anwält*innen und Mitarbeiter*innen vor Ort sehr engagiert und leistungsbereit. Die (gute) Arbeit steht an erster Stelle und wird auch erwartet. Nichtsdestotrotz war die Atmosphäre stets ein Miteinander und kein Gegeneinander.

Meine Sorge vor einem sehr konkurrenzgetriebenen Umfeld hat sich daher bei Hengeler in keinster Weise bestätigt. Ganz im Gegenteil: es bestand keine Scheu, sich gegenseitig zu Rate zu ziehen und auch Nettigkeiten kamen niemals zu kurz. Die vielen Stunden im Büro vergingen also mit Freude und wie im Flug.

 

Welche Schwierigkeiten sind dir während des Praktikums begegnet?

Die Hauptschwierigkeit war wohl die Wohnungssuche in Frankfurt für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum. Wer nicht gerade im Bahnhofsviertel unterkommen möchte, stößt ohne Kontakte durchaus auf Probleme. Familiäre Verbindungen nach Frankfurt haben mir hier sehr geholfen.

Während der Praktikumszeit selbst fallen mir keine größeren Schwierigkeiten ein, abgesehen davon dass sich natürlich eine neue Routine in einer anderen Stadt einstellen musste. Von Hengeler wurde ich in juristischer Hinsicht vollumfänglich betreut und jede Frage wurde gerne beantwortet.

 

In welchem Rechtsgebiet hast du vorwiegend gearbeitet?

Schwerpunktmäßig habe ich im Finanzierungsrecht gearbeitet. Das Gebiet der Finanzierung umfasst dabei unter anderem kontinuierliche Unternehmensfinanzierungen durch beispielsweise Kredite und Anleihen, aber auch die Finanzierung von großen Unternehmenstransaktionen.

Im Einzelnen werden unter dem großen Überbegriff der Finanzierung also Kenntnisse in verschiedenen Rechtsgebieten wie beispielsweise dem Gesellschaftsrecht, Sachenrecht aber auch Wertpapierrecht relevant.

Darüber hinaus durfte ich Teil des Legal Tech Teams von Hengeler Mueller werden. Dort habe ich mich mit verschiedenen Softwares befasst, die zur Automatisierung und Unterstützung juristischer Tätigkeiten nützlich sind. Insbesondere galt es auch zu bewerten, inwieweit diese Programme gesetzlichen Anforderungen genüge tun.

 

Was hat dir an diesem Rechtsgebiet besonders gefallen?

An der Finanzierung hat mich insbesondere die Vielfalt der Mandate begeistert. Von großen Kreditverträgen bis hin zu Schuldverschreibungen hatte ich die Möglichkeit, an ganz verschiedenen Finanzierungsprojekten mitzuwirken.

Aufgrund der hohen Volumina der Finanzierungen wird dabei eng mit Anwält*innen aus anderen Rechtsgebieten und/oder Ländern und den Unternehmensführungen zusammengearbeitet. Alle Bedürfnisse des Mandats aufeinander abzustimmen ist hier besonders herausfordernd, aber gleichzeitig wahnsinnig spannend.

Es ist ein vielseitiges Rechtswissen erforderlich und die große Finesse, mit der dieses in den Projekten gestalterisch eingebracht wird, war sehr eindrücklich.

Legal Tech war für mich eine (unerwartete) neue Welt. Im Studium gibt es damit keinerlei Berührungspunkte, sodass ich überrascht war, was technisch mittlerweile möglich ist. Gleichzeitig war es sehr interessant, an welchen grundlegenden rechtlichen Anknüpfungspunkten (beispielsweise Schriftformerfordernisse) Schwierigkeiten entstehen können. Die Beurteilung, inwieweit bestimmte Softwares daher anwendbar sind, fiel hier gar nicht so leicht.

 

Reicht ein Jahr Studium aus, um die Vorgänge in der Kanzlei zu verstehen?

In juristischer Hinsicht fehlt natürlich eine ganze Menge Wissen, um die komplexen Mandate auf Anhieb zu begreifen. Es kann daher auf den ersten Blick herausfordernd sein zu Fragestellungen zu recherchieren, deren Rechtsgebiet bisher kein Gegenstand der Vorlesungen war.

Das sollte allerdings nicht entmutigen: Mein betreuender Associate konnte gut einschätzen, was er mir zutraut. Und tatsächlich überraschte es mich, wie gut ich nach einem Jahr Studium bereits in der Lage war, mir Wissen aus unbekannten Rechtsgebieten selbst anzulesen und die rechtlichen Probleme zu lösen.

Auch die juristische Arbeit auf Englisch war zunächst ungewohnt, doch darauf bin ich durch die Legal English Kurse der Law School im Wesentlichen gut vorbereitet gewesen. Zusätzlich hat Hengeler mit uns Praktikanten einen sehr hilfreichen eigenen Kurs durchgeführt.

Im Ergebnis hilft also ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein, lösungsorientiertes Denken und keine falsche Scheu vor Nachfragen über die meisten Herausforderungen hinweg.

 

Was war der größte Unterschied zum Unialltag?

Mir fiel sehr deutlich auf, wie viel ich mich an einem Unitag trotz Vorlesungen und Bib-Stunden im Vergleich zum Büroalltag bewege. Während man im Studiumsalltag häufiger den Ort wechselt - sei es nur von Raum zu Raum - verbringt man den Kanzleialltag im Wesentlichen vor demselben Schreibtisch.

Nach einigen Tagen habe ich mir daher vor oder nach der Arbeit bewusst einen sportlichen Ausgleich gesucht und einen neuen Rhythmus gefunden.

Außerdem unterscheidet sich die Tätigkeit in der Kanzlei selbstverständlich stark vom theoretischen Studium. Während es im Studium vielfach darum geht, eine eigene Meinung überzeugend zu vertreten, kommt es in der anwaltlichen Praxis darauf an, den Mandanten die sicherste Lösung eines Problems vorzuschlagen. Stellenweise fiel es schwer, das Denken „im Gutachten“ abzulegen.

 

Hat es deine Erfahrung im Praktikum erschwert, dass du nicht in Hamburg warst?

Das Praktikum war mein erster längerer Aufenthalt in Frankfurt, sodass nicht nur die Arbeit sondern auch die Stadt eine ganz neue Erfahrung für mich war. Glücklicherweise hatte ich die Möglichkeit, bei meiner Cousine zu wohnen, die bereits seit vielen Jahren Frankfurterin ist.

Dadurch habe ich mich zu keinem Zeitpunkt „alleine“ oder „verloren“ gefühlt. Außerdem haben wir am Wochenende viel gemeinsam unternommen und ich konnte eine Menge über die Stadt und auch die tolle landschaftliche Umgebung erfahren. Aber auch Hengeler hat für die Praktikanten zahlreiche Veranstaltungen mit den Kolleg*innen organisiert, darunter eine geführte E-Bike Tour oder ein Apfelwein-Tasting.

Insgesamt konnte ich Frankfurt und seine sehr verschiedenen Facetten also schnell kennenlernen, wobei während der Arbeitszeit natürlich die professionelle und geschäftige Atmosphäre im Westend dominierte. Aber auch eine Auszeit in den zahlreichen Stadtparks kam niemals zu kurz. Insofern war Frankfurt eine absolute Bereicherung für meine Praktikumszeit.

 

Welches Fazit ziehst du aus dem Praktikum?

Durch das Praktikum habe ich eine realistische Vorstellung vom Arbeitsalltag in der Großkanzlei bekommen können. Insbesondere die Gespräche mit den Anwält*innen vor Ort haben sehr dabei geholfen, das erwartbare Arbeitspensum und die Vereinbarkeit mit dem sonstigen Leben einzuschätzen.

Auch die Arbeit im Bereich der Finanzierung hat mich wirklich sehr begeistert, sodass ich erwäge, diesen Bereich in Zukunft gegebenenfalls zu vertiefen. Nichtsdestotrotz möchte ich weiterhin möglichst viele verschiedene Rechtsgebiete in der Praxis erleben.

Weil meine Erfahrung bei Hengeler Mueller im Speziellen so positiv war und ich das Umfeld dort sehr wertgeschätzt habe, kann ich mir allerdings gut vorstellen, bereits als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Referendarin zurückzukehren.

 

Alicia, vielen Dank für das Interview. 

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